Dr. Falk Richter,
Dresden
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07.06.2013 (mit späteren Nachträgen):
Werbung, die neugierig macht. Oder Neugier wecken soll.
Tags:
Evaluation
Werbung und Marketing
Werbetreibende wollen bei einem Betrachter nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Neugier und Interesse wecken. Welche Gestaltungsmittel sind geeignet, um Rezipienten neugierig zu machen?
Um Neugier zu wecken, kann man auf folgende Gestaltungsmittel zurückgreifen: etwas offensichtlich völlig Neues zeigen, Weglassen von Informationen, Inkongruität und Irregularität (etwas passt irgendwie nicht zusammen), komplexe Vorlagen, die man nicht auf Anhieb versteht.
Werbung, die mit solchen Gestaltungsmitteln arbeitet, kann beim Betrachter zu einer Orientierungsreaktion führen. Die Irritation weckt dabei zunächst das Bedürfnis, das Gesehene genauer zu verstehen. Durch die intensive Beschäftigung mit der Vorlage wird die Werbung auch besser behalten.
Ich schreibe hier bewusst "kann hervorrufen", denn diese Wirkung wird man aus unterschiedlichen Gründen nicht bei jedem Betrachter erzielen! Das Erzeugen von Neugier in der Werbung beinhaltet auch einige Probleme.
Es kann z.B. vorkommen, dass ein Gag gar nicht bemerkt oder zumindest nicht verstanden wird. Die Irritation, die durch solche Werbung hervorgerufen wird, kann sich in einer negativen Einstellung gegenüber Werbung und Produkt niederschlagen. Auch das Fehlen von Information kann sich letztlich negativ auf den Verkaufserfolg auswirken. Angesichts einer Flut von Werbung muss man davon ausgehen, dass die wenigsten Betrachter ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Beschäftigung mit Werbung haben.
Die Wirkung solcher Werbung sei im folgenden an mehreren Positiv-Beispielen verdeutlicht:
Das Gestaltungsmittel Inkongruität
Das Gestaltungsmittel "Inkongruität" findet sich in der aktuellen Kampagne von "Mach's mit!/Gib AIDS keine Chance!":
Die Plakate beinhalten jeweils einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Widerspruch zwischen der verbalen Aussage ("Ich will's klassisch.") und dem Erscheinungsbild der Person (tätowierte junge Frau). Dies sorgt zunächst für Irritation. Aufgrund der starken aktuellen Präsenz (Großplakate, Plakate an Haltestellen) dürfte diese Werbung wohl den allermeisten Menschen bekannt sein. Es ist zu erwarten, dass sich viele Betrachter damit beschäftigen und auch ein bisschen darüber amüsieren werden.
Allerdings ist auch zu erwarten, dass mancher Betrachter nicht verstehen wird, warum diese Plakate so gestaltet sind. Dieses Nichtverstehen kann zu negativen Gefühlen und darüber vermittelt zu einer negativen Einstellung zur Werbung führen.
Die Erweckung von Neugier durch das Weglassen von Informationen
Ein weiteres Beispiel habe ich vor kurzem hier in Dresden entdeckt:
Auf Großplakaten sowie an Litfaßsäulen und Haltestellen findet sich jeweils ein Plakat mit einer jungen attraktiven Frau im Bikini, dazu der Schriftzug "Calzedonia".
Es handelt sich dabei um Werbung für ein italienisches Bekleidungsunternehmen. Mir war das Unternehmen bisher nicht bekannt.
Diese Plakate erzeugen zunächst einmal sehr viel Aufmerksamkeit durch Werbung mit Sex-Appeal. Wer wie ich das Unternehmen bisher nicht kannte, wird sich im weiteren fragen, welches Anliegen hinter dieser Werbung steckt. Der nächste mögliche Schritt besteht nun darin, zu Hause am Computer oder gleich via Smartphone im Internet nachzusehen, was es mit "Calzedonia" auf sich hat.
Es handelt sich hier durchaus um eine Werbung, die geeignet ist, Neugier zu wecken. Problematisch dabei: Via Google findet man nur allgemeine Informationen über das Unternehmen. Man erfährt zunächst nicht, wo man diese Produkte kaufen kann. Des Weiteren spricht solche Werbung mit Sex-Appeal vor allem Männer an. Die allerdings nur in seltensten Fällen Bademode für Frauen einkaufen. Auf weiteren (neueren Plakaten) hat man das berücksichtigt, indem dort eine Quelle für den Kauf dieser Mode angegeben wird.
Opel und das Umparken im Kopf
In den Jahren 2014 und 2015 hat insbesondere Opel mit seinen Kampagnen "Umparken im Kopf" sowie "Neues Oh!" Werbung gestaltet, die geeignet ist, Neugier zu erwecken. Auch hier wurden zunächst wesentliche Informationen weggelassen. In 2014 waren es großflächige Plakate mit Aussagen wie
"68 % ALLER MÄNNER HALTEN ROTHAARIGE FRAUEN FÜR FEURIGER. 90 % DAVON HABEN NOCH NIE EINE KENNENGELERNT."
die Aufmerksamkeit und Neugier erweckten.
Auf keinem dieser Plakate war vermerkt, welches Unternehmen und welches eigentliche Anliegen hinter dieser Werbung steckt. Wer neugierig geworden war, musste dazu die darauf angegebene Internetseite umparkenimkopf.de aufrufen. Erst auf späteren Plakaten wurde gezeigt, worum es bei dieser Kampagne eigentlich geht:
"IST OPEL NOCH SO WIE SIE DENKEN? SCHAUEN SIE DOCH MAL NACH!"
Wobei ich allerdings kritisch bemerken muss, dass diese Werbung mit dem schwarz-gelben Layout und den einfachen Grafiken nicht sehr ansprechend gestaltet war.
Ende 2014 begann die Kampagne für den neuen Opel Corsa. Hier wurde auf den Plakaten zunächst nur der Schriftzug "OH!", darin integriert das Foto eines Frontscheinwerfers und daneben die Internetadresse "neuesOH.de" präsentiert. Es war mehr oder weniger offensichtlich, dass es sich um Werbung für ein Auto handelt, die Marke wurde allerdings nicht gezeigt. Wer neugierig wurde, musste wiederum die angegebene Internetseite aufrufen. Diese Werbung fand ich auch im Gegensatz zu den Plakaten bei "Umparken im Kopf" optisch ansprechend gestaltet.
Diese Beispiele möchte als positive Beispiele für das Erzeugen von Neugier hervorheben. Ich bin auch schon auf Werbung mit Fokus auf die Erzeugung von Neugier gestoßen, die ich noch kritischer bewerten würde.
Die Wirkung von Werbung ist letztlich sehr komplex und man muss immer auch unterschiedliche Werbewirkungsebenen berücksichtigen:
Moderne Werbewirkungsmodelle - oder wie wirkt Werbung eigentlich?
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