Dr. Falk Richter, Dresden |
09.03.2015:Eine Frauenquote für Aufsichtsräte, nicht für Vorstände - was bedeutet das?Tags: Demografischer Wandel und Fachkräftemangel Führungskompetenz und Mitarbeiterführung Vorurteile, Stereotype, DiskriminierungAm Freitag, dem 6. März 2015 - zwei Tage vor dem Weltfrauentag - wurde im Bundestag die Einführung einer Frauenquote für Aufsichtsräte in den 100 größten deutschen Unternehmen beschlossen. Frauenquote beschlossen: 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräte (Der Tagesspiegel) Juristisch formuliert handelt es sich um das "Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst". Erarbeitet in den Ministerien von Familienministerin Manuela Schwesig und Justizminister Heiko Maas. Von Frauengruppen, SPD, Grünen usw. als Fortschritt für die Chancengleichheit und Gleichberechtigung von Frauen gefeiert. Von Unternehmervertretern, Liberalen usw. wie zu erwarten als Einmischung in betriebliche Angelegenheiten heftig kritisiert. Was bedeutet eine Frauenquote für Aufsichtsräte?Es wird hier häufig davon geschrieben und gesprochen, dass es sich um eine Frauenquote für Top-Positionen handelt. Aber stimmt das?Dazu sollte man sich zunächst einmal den Unterschied zwischen einer Geschäftsführung bzw. einem Vorstand und einem Aufsichtsrat vor Augen halten. Aufsichtsräte sind nicht wirklich Entscheider, sondern sollen die Tätigkeit eines Vorstands überwachen. Aufsichtsräte von Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern setzen sich paritätisch aus Anteilseignern und Arbeitnehmervertretern zusammen. Was ist ein Aufsichtsrat? (Wikipedia) Welchen Stellenwert eine Tätigkeit im Aufsichtsrat praktisch hat, sieht man daran, dass mancher Politiker eine Vielzahl solcher Aufsichtsratsposten innehat. Neben seinem Mandat im Bundestag und anderen politischen Funktionen. Da stellt sich schon die Frage, ob so ein Aufsichtsrat wirklich als effektives Kontrollgremium fungiert. Wobei zu hoffen ist, dass der Aufsichtsrat des Berliner Großflughafen BER nicht typisch für alle Aufsichtsräte ist. Eine Frauenquote für Aufsichtsräte hat m.E. lediglich eine Symbolcharakter. Man ist damit noch sehr weit entfernt von wirklicher Chancengleichheit für Frauen im Top Management. Viel wichtiger sind da die ebenfalls in dem Gesetz enthaltenen Vorgaben für 3500 weitere Unternehmen, die sich verbindliche Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen setzen müssen. Hier sind die Unternehmen sogar flexibel in der Umsetzung der Vorgaben. Quasi eine Flexi-Quote, ähnlich wie sie die ehemalige CDU-Ministerin Kristina Schröder ins Spiel gebracht hatte. Eine Frauenquote für Führungspositionen - sinnvoll oder nicht?Ich hatte bereits vor längerer Zeit beschrieben, warum ich eine Frauenquote für Führungspositionen für (leider) notwendig halte:Warum ich für die Frauenquote bin Es mag einem modernen aufgeklärten Menschen überflüssig erscheinen, heutzutage Gleichberechtigung für Frauen noch per Quote vorzuschreiben. Wenn einem diese Gleichberechtigung z.B. vor dem Hintergrund einer DDR-Sozialisation selbstverständlich erscheint. Allerdings gab es in den 1970er Jahren immerhin noch Regionen, in denen Frauen ihre Ehemänner um Erlaubnis fragen mussten, wenn sie arbeiten wollten. Und ich meine hier keine islamischen Länder, sondern die Bundesrepublik Deutschland. Ja, es hat sich positiv entwickelt. Allerdings waren auch im Jahr 2014 in den 200 größten deutschen Unternehmen lediglich 5.4 % der Vorstände Frauen (Quelle: Statista). Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies allein auf unterschiedliche Karriereziele von Männern und Frauen zurückzuführen ist. Wobei hier natürlich das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen UND Männer zu betrachten ist. Im Vergleich zu Norwegen (39.5 %) und Schweden (27.3 %) hat Deutschland (11.2 %) immer noch erhebliches Potenzial (Quelle: Statista). Ich denke, dass es immer noch genügend Bereiche gibt, wo sich altmodische Einstellungen gegenüber Frauen hartnäckig halten und wo eine solche Quote helfen könnte. Allerdings nicht als einzige Maßnahme. Denn es muss insgesamt um eine bessere Vereinbarkeit unterschiedlicher Lebensbereiche und Lebensziele gehen, was z.B. durch betriebliche Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten (Flexibilität für die Beschäftigten, nicht nur für das Unternehmen) unterstützt werden kann. Weitere Zitate und Sprüche Besonders extrem fand ich vor einigen Jahren das Beispiel einer Versicherung, die ihren Top-Verkäufern als Incentive eine "besondere Lustreise" nach Budapest spendiert hat. Dies wäre kaum vorstellbar, wenn in diesem Unternehmen auch Frauen in dieser Zielgruppe bzw. in Entscheidungspositionen zu finden wären. Natürlich lässt sich so etwas nicht verallgemeinern. Ich habe selbst auch Untersuchungen in Versicherungsunternehmen durchgeführt - wobei ich auch von Frauen geleitete größere Agenturen und Unternehmen vorgefunden habe, die in ihrem Personalmarketing das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Fokus haben. ... Das vermutlich wichtigste Argument der Gegner der Frauenquote ist, dass es doch besser wäre, wenn Führungskräfte nicht nach Geschlecht, sondern nach Eignung ausgewählt würden. Es wäre schön, wenn dem immer so wäre. Wer allerdings glaubt, dass Führungspositionen immer nach persönlicher Eignung besetzt werden, der glaubt auch, dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet. ... Zu diesem Thema biete ich Ihnen gern Vorträge und Beratung an: Kontakt ...
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