Dr. Falk Richter, Dresden |
19.04.2012:Abgeschlossenes Pilotprojekt der Bundesregierung zu anonymen BewerbungenTags: Demografischer Wandel und Fachkräftemangel Vorurteile, Stereotype, DiskriminierungIm Dezember 2010 hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein Pilotprojekt zu anonymen Bewerbungen initiiert. Neben dem Bundesfamilienministerium haben sich daran die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, L'Oréal, Mydays sowie Procter & Gamble beteiligt. Jetzt liegen die Ergebnisse der damit verbundenen Studie vor: (SPIEGEL ONLINE) Anonyme Bewerbungen lassen sich auf unterschiedliche Weise gestalten: Die Bewerber/innen können dazu aufgefordert werden, nur solche Informationen über sich an das Unternehmen zu senden, die keinen Hinweis auf Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft und weitere demografische Variablen erlauben. Oder diese Daten werden im Unternehmen aus den Bewerbungsunterlagen entfernt bzw. darauf geschwärzt. Wichtig ist, dass der Personalverantwortliche bei seiner Entscheidung nicht auf diese Daten zurückgreifen kann. In dem Pilotprojekt wurden insgesamt 8850 anonyme bzw. anonymisierte Bewerbungen berücksichtigt, 1293 Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und auf dieser Basis am Ende 246 Stellen besetzt. Durch den anonymisierten Bewerbungsprozess wurde zunächst formal die Chancengleichheit gewährleistet. Die Studie zeigt dabei, dass es sich die Effekte der Anonymisierung auf die Auswahlentscheidung in verschiedenen Unternehmen unterscheiden. So gaben einige Personalverantwortliche an, von Bewerbern überzeugt worden zu sein, die sie ansonsten gar nicht erst eingeladen hätten. Dagegen verwies die Vertreterin der Deutschen Post auf keinen Unterschied in der Bewerberauswahl zwischen anonymisierter und herkömmlicher Bewerbung. Anonymisierte Bewerbungen sind in anderen Ländern wie den USA und Großbritannien bereits seit langem üblich. Die Unternehmen in Deutschland sträuben sich allerdings noch dagegen. Bereits für das Pilotprojekt hatte man einige Mühe, Unternehmen zu finden, die sich bereitwillig daran beteiligen. Auch wollen nicht alle an dem Projekt beteiligten Unternehmen das Ganze fortführen. Meiner Meinung nach kann ein anonymisierter Bewerbungsprozess das Problem der Diskriminierung auch nicht vollständig lösen, sondern lediglich bisher diskriminierten Bewerbern die Chance geben, zumindest bis ins Vorstellungsgespräch zu gelangen. Einzelne Personalentscheider können dadurch auch dazu angeregt werden, ihre Stereotype und Vorurteile z.B. im Hinblick auf Geschlecht und Alter zu hinterfragen. Wichtig ist vor allem ein transparenter Entscheidungsprozess, der auf Einstellungskriterien beruht, die einen konkreten Bezug zu den Anforderungen der Tätigkeit haben! Eine solche Transparenz und Stringenz des Auswahlprozesses ist leider nicht immer gegeben. Besonders kritisch sehe daher ich die Formulierung eines Unternehmensvertreters in dem eingangs verlinkten Artikel: "Unsere Personalstrategie richtet sich eher nach dem persönlichen Eindruck, den wir von einer Person im Vorstellungsgespräch gewinnen." Bei dieser Aussage fehlt jeder Bezug zu konkreten Entscheidungskriterien! Damit ist einer möglichen Diskriminierung aus subjektiven Gründen Tür und Tor geöffnet! ... Ich habe noch in meiner letzten Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter eine Studie durchgeführt, bei der ich den Einfluss des Alters eines Bewerbers auf eine fiktive Auswahlentscheidung untersucht habe. An der Untersuchung haben neben Studierenden auch Personalverantwortliche aus verschiedenen Unternehmen teilgenommen. Ich konnte dabei keinen generellen Effekt der Altersdiskriminierung feststellen. Allerdings zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Unternehmen. Das Entscheidungsverhalten des Personalverantwortlichen wird dabei wesentlich von den im Unternehmen üblichen Praktiken beeinflusst und weniger von persönlichen Einstellungen. ... Beachten Sie dazu bitte auch meine Angebote zu den Themen Personalmarketing und Personalauswahl sowie Demografieorientierte Personalarbeit ! ...
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